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„Sprachbarriere das größte Problem“

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Rink_Schaller_onlineEtwa 3500 Asylbewerber sind derzeit im Landkreis Rosenheim untergebracht. „Die Bewältigung des enormen Flüchtlingszugangs ist die größte Herausforderung für unsere Gesellschaft“, so Tonio Rieger, Leitender Ministerialrat des Bayerischen Arbeitsministeriums. Im Rahmen einer Veranstaltung des Arbeitskreises „SchuleWirtschaft“ referierte Rieger jetzt zum Thema „Integration von Flüchtlingen in Arbeit und Ausbildung“ im Bildungszentrum Wasserburg.

Rieger ist mit eingebunden in die Initiative der Bayerischen Staatsregierung zur Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt. Peter Rink, Direktor des Wasserburger Gymnasiums (auf unserem Foto oben rechts), führte gemeinsam mit Harald Jakob, der die Leiterin der Akademie der Sozialverwaltung, Brigitte Schulan, vertrat, durch den Abend.

„2015 sind über eine Million Menschen in Deutschland angekommen. Dass Bayern davon 150.000 Asylbewerber aufgenommen habe, wertet Tonio Rieger als „Riesenleistung“.  „Doch der wesentliche Teil liegt noch vor uns: Die Integration derjenigen, die wirklich bleiben.“ Rieger ist überzeugt: „Das geht nicht von heute auf morgen. Es kann nur gelingen, wenn der Zuzug in der gegenwärtigen Größenordnung rasch und wirkungsvoll begrenzt wird – ein dauerhafter Zuzug in der aktuellen Höhe wird das Land langfristig überfordern.“

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„Der Schlüssel zur Integration ist ganz klar die Sprachförderung“, erklärte Rieger (rechts). „Zudem ist der Eintritt in Arbeit und Ausbildung aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse sowie fehlender beruflicher Qualifikation nur für einen sehr geringen Teil der Flüchtlinge möglich.“

Eine Integration in den Arbeitsmarkt sei nur für anerkannte Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive zu schaffen. „Und noch beeinflusse der Flüchtlingszugang die Arbeitsmarktstatistik in keinster Weise“, beruhigt Rieger. Die Aufnahme- und Integrationsfähigkeit der bayerischen Wirtschaft für Ausländer sei sehr hoch. „Fast 570.000 Ausländer haben im Freistaat eine feste Arbeit, das bedeutet, mehr als jeder zehnte Beschäftigte bei uns ist Ausländer.“

„Allgemein haben 90 Prozent der Syrer und Iraker gute Schulbildung und Alphabetisierungsgrade – ganz im Gegensatz zu den Migranten aus den afrikanischen Ländern. Unter ihnen sind zu einem großen Teil ehemalige Kindersoldaten und Analphabeten“, so Rieger. „Es muss uns aber auch klar sein, dass überwiegend die Mittelschicht aus Syrien zu uns kommt – hochqualifizierte Fachkräfte werden die Ausnahme bleiben.“

Die Grundvoraussetzung, Flüchtlingen daher eine qualifizierte Ausbildung in Deutschland anbieten zu können sei laut Rieger, die Kapazitäten des Schulsystems stärker auszuweiten und die 16- bis 25-Jährigen auf ihrem Weg in die Arbeitswelt bedarfsgerecht zu unterstützen.

Darüber wird auch in Wasserburgs Schulen diskutiert. Neben Gerhard Heindl, Schulleiter der Berufsschule Wasserburg, fragen sich auch die Direktoren der FOS/BOS, Johann Schaller, des Gymnasiums, Peter Rink, und auch Karlheinz Rieger von der Mittelschule Eiselfing, wie künftig Ausbildung an ihrer Schulen funktioniert.

Heindl: „Es muss alles genutzt werden, um eine Integration der Flüchtlinge in die Arbeitswelt zu erreichen.“ Dabei sei das Wichtigste eine in beruflicher Orientierung eingebettete sprachliche Schulung. „Wir müssen das realistisch sehen: Nicht jeder, der eine Berufsschule verlässt, macht auch eine Ausbildung, das hängt ganz vom Alter der Flüchtlinge ab“, mahnt der Leiter der Berufsschule.

55 Prozent der Flüchtlinge seien junge Männer unter 25 Jahren – „das birgt ein großes Potenzial für unseren Arbeitsmarkt, wenn wir in Bildung und Ausbildung für Flüchtlinge investieren“, ergänzt Rieger.

„In Deutschland lockt das schnelle Geld, um die Familien der Flüchtlinge im Heimatland versorgen zu können“, erklärt Tonio Rieger. „Langfristig jedoch ist die Basis für eine nachhaltige Zukunft der Flüchtlinge in Bayern eine Ausbildung.“

Der Zugang zu Arbeit und Ausbildung eröffne Lebenschancen für die Flüchtlinge. Unabhängig zu sein von Transferleistungen sei eine elementare Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben. „Von beruflicher Ausbildung bis zur festen Arbeitsstelle –  wir wollen, dass der Großteil der Flüchtlinge ihren Lebensunterhalt selbst organisiert“, erläutert Rieger. Bis Ende 2019 sollen 60.000 Menschen erfolgreich in den Arbeitsmarkt integriert werden.

Doch Flüchtlingen einen Praktikums- oder Ausbildungsplatz anzubieten, ist gar nicht so einfach. Michael Müller von der Firma Bauer prangerte an, wie schwierig es sei, jungen Flüchtlingen ein Schnupperpraktikum von einigen Wochen zu ermöglichen. „Wir arbeiten konkret mit einer ehrenamtlichen Gruppe zusammen und haben nun eine Verbindung aufgebaut, mit der wir versuchen, Flüchtlinge als Praktikanten in unseren Betrieb einzubinden.“

Jedoch stelle das Mindestlohngesetz die Verantwortlichen vor einige Hürden. „Den Mindestlohn für ein Schnupperpraktikum anzusetzen, ist definitiv zu hoch und dürften wir laut Gesetz auch erst ab drei Monaten“, so Müller. Auf der anderen Seite solle er den Flüchtlingen dann gar nichts zahlen. „Beides wollen wir nicht – ein Mittelweg müsste her.“

Zudem sei die sogenannte Vorrangprüfung ein Problem. Sie prüft, ob Inländer nicht für die gleiche Arbeit geeignet wären – und ist für Ausländer passé.

Die Staatsregierung lege alles daran, Flüchtlingen den Einstieg in die Arbeitswelt zu ermöglichen. Laut Rieger werden Maßnahmen dazu auf den Weg gebracht. So gebe es neben intensiver Sprachförderung beispielsweise geschulte Jobbegleiter für Erwachsene oder Ausbildungsakquisiteure für junge Flüchtlinge. Die Staatsregierung unterstütze die Projekte der Wirtschaft finanziell, damit Integration auch in Zukunft gelingen könne. „Wir sehen also“, sagte Peter Rink zum Schluss der Diskussion, „die Flüchtlingsfrage wird uns weiter begleiten und ein großes Thema bleiben.“

MB

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Foto ganz oben: Peter Rink, Leiter des Luitpold-Gymnasiums, im Gespräch mit Johann Schaller, dem Leiter der FOS/BOS Wasserburg (links).

 


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